Befreiungsschlag gegen das Rentendesaster!

von Hans-Peter Portmann,Nationalrat FDP und Präsident der Interessensgemeinschaft "Sichere Renten"

In der vergangenen Legislaturperiode, hat das Schweizervolk das Reformgesetz zur Altersvorsoge und den Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung mittels einer Erhöhung der Mehrwertsteuer angenommen. Es ist unbestritten, bis ins Jahr 2030 werden der AHV zusammengerechnet rund 43 Milliarden Franken fehlen, womit der Ausgleichsfonds noch vor 2040 geplündert sein dürfte und keine Renten mehr ausbezahlt werden können. Auch in der zweiten Säule werden sind massive Leistungskürzungen geplant, um nicht wie die AHV ebenfalls auf der Intensivstation zu landen. Das linke Lager sieht immer noch das Allerheilmittel in der Umverteilung zwischen der ersten und der zweiten Säule zulasten des Mittelstandes. Sie halten an ihren ideologischen Forderungen fest und drohen mit einem unerbitterlichen Kampf gegen jegliche Reformlösung, welche nicht genau ihrem Geschmack entspricht. So wird auch in den nächsten Jahren im Bundesbern frisch fröhlich weiter ein Bazar von "Gschänkli" und "Gegegschänkli" betrieben, womit weitere dringende Reformen torpediert werden.

Das Rentendesaster in unserem Lande braucht einen Befreiungsschlag. Dieser wäre eigentlich einfach zu finden, würde man die Hauptursachen der finanziellen Entwicklung unserer Altersvorsorge beseitigen wollen. Bis ins Jahr 2030 dürfte die mittlere Lebenserwartung in der Schweiz bei über 90 Jahren liegen. Als im Jahr 1948 die AHV eingeführt wurde, lag die Lebenserwartung für Männer bei 66 Jahren, und für Frauen bei 71 Jahren. Hat sich also die Lebenserwartung um gegen 30 Prozent gesteigert, so wird zwangshaft ein System, welches sich an der Lebenserwartung orientiert, schlecht geredet.. Es ist schleierhaft, warum man das Problem nicht vorwiegend über die natürlichste Art lösen will. Wir leben viel länger, also sollten wir auch bereit sein, länger zu arbeiten.

Wir brauchen ein flexibles Rentenalter, welches für Frauen und Männer zum Beispiel zu einem Referenzalter von 66 Jahren für eine Vollrente führen würde. Diese Anpassung könnte die AHV auf einen Schlag jährlich um über 4 Mrd. Franken entlasten, und ebenfalls in der zweiten Säule weitere Leistungskürzungen verhindern. Dabei müssten natürlich sowohl der Übergang auf eine längere Zeit hinaus gestaffelt erfolgen, als auch für im Arbeitsprozess gesundheitlich angeschlagene ältere Arbeitskräfte durch Teilpensionierungen entlastet werden. Weiter müssen Dienste an der Allgemeinheit, wie zum Beispiel die Familienbetreuung oder der Militärdienst als vollwertige Arbeitszeiten durch kalkulatorischen Zeitgutschriften miteinberechnet werden. Und letztlich muss sich ein Arbeiten über den medianen Rentenzeitpunkt hinaus mit Aufschiebung der Renten auch lohnen, indem man zum Beispiel Lohneinkünfte über 66 Jahre nur noch Teilbesteuerte, Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerbeiträge massiv reduzierte, um damit auch Teilzeitbeschäftigungen für eine Rente bis zu einem 100 % Pensum kompensieren zu können.

Ein flexibles Rentenalter 66 müsste eigentlich vor dem Volk zu gewinnen sein. Neueste repräsentative Umfragen zeigen einen JA-Anteil für Rentenalter-Erhöhungen von über Zweidrittel bei den Stimmberechtigten. Denn all die heute im Raum stehenden Scheinlösungen müssten vor allem von der jungen Generation sowie den aktiven Erwerbstätigen zusätzlich berappt werden, würden das Rentenloch nur um einige Jahre hinauszögern, und könnten die Gefahr, dass einmal in unserem Lande niemand mehr aus der Altersvorsoge Geld bekommt, nicht vollkommen eliminieren. Nicht zu vergessen ist, dass junge Rentnerinnen/Rentner zu Wohle unserer Gesellschaft viel Freiwilligenarbeit leisten (Familienbetreuung, Vereine etc.) was ebenfalls gefördert würde.


Neutralität ist keine Einbahnstrasse!

Der Einmarsch russischer Militärtruppen in die Ukraine hat nicht nur die Jahrzehnte lange Friedensstabilität zwischen Ost und West zunichte gemacht, sondern auch verschiedenste Staaten aufgrund ihrer wirtschaftlichen oder militärischen  Büdniszugehörigkeiten dazu gezwungen, Partei zu ergreifen und aktiv die legitimierte Landesverteidigung der Ukraine zu unterstützen. Für die Schweiz ist diese geopolitische Entwicklung nun zur Nagelprobe ihrer Neutralität geworden. Könnte man die Handhabung von Neutralität mit weltweit einheitlichen Kriterien definieren, so würde die Positionierung der Schweiz um ein Vielfaches einfacher. Tatsache ist aber, dass sich zwar rund zwei Dutzend Staaten als Neutral bezeichnen, diese sich aber lediglich entweder historisch oder durch Eigendeklarationen begründen lassen. Völkerrechtlich bindend belegen nach dem Beitritt von Schweden und Finnland in die NATO nur noch gerade einmal die Schweiz, Lichtenstein, Serbien, Moldawien, die Mongolei, Turkmenistan, Rwanda, Costa Rica und der Vatikan den internationalen Status der Neutralität. Mit der Unterzeichnung des Haager Abkommen aus dem Jahr 1907 hat sich die Schweiz verpflichtet, an keinen Kriegen sich zu beteiligen, seine Selbstverteidigung sicherzustellen, bei Rüstungsgütern die Kriegsparteien gleich zu behandeln, keine Söldner zur Verfügung zu stellen, und sein Staatsgebiet den Kriegsparteien nicht zur Verfügung zu stellen.       

Das Ringen um die richtige Neutralitätspolitik

Auch wenn im aktuellen Umfeld hierzulande verschiedenste Exponenten aus Politik und Gesellschaft sich mit Ideen zur Massregelung des russischen Aggressors überbieten, ist es doch erstaunlich, wie alle Experten sowohl aus dem traditionellen wie auch aus dem progressiven Lager sich betreffend den zwingend einzuhaltenden Minimal-Neutralitätsstandards einig sind. Diese Einschätzung deckt sich voll und ganz mit meiner persönlichen Überzeugung zur Neutralität, welche ich wie folgt formuliere: «Für mich ist es selbstverständlich, dass das Neutralitätsrecht uns es nicht erlaubt, sich weder bei einem bewaffneten Konflikt zu beteiligen, noch Waffen zu liefern, oder eine der Parteien in irgend einer Art und Weise in ihrem kriegerischen Handeln zu begünstigen.» Das heisst nicht, dass wir zu Gräueltaten und Verletzungen von Menschen- sowie Souveränitätsrechten schweigen müssen. Letztendlich hängt unser aller Wohlergehen von der globalen Einhaltung dieser Völkerrechte ab. Nun stellt sich die Frage, wie die Schweiz überhaupt ein solidarisches Mitwirken bei Bekämpfung von Kriegsaggressoren neutralpolitisch legitimieren kann. Persönlich würde ich dies so umschreiben:     «Die Schweiz soll im aussenpolitischen Handeln ihre Neutralität so umsetzen, dass jegliche internationale Massnahmen, die zur Wiederherstellung des internationalen Völkerrechts führen, gefördert werden.» Die zuständigen Parlamentskommissionen haben die Sprengkraft der aktuellen Neutralitäts-Auslegung erkannt, und die Arbeit einer diesbezüglich notwendigen Gesetzes-Überprüfung an die Hand genommen.

Der Wert einer Neutralität misst sich an deren Akzeptanz

Mit der Übernahme der EU-Sanktionen hat die Schweiz neutralpolitisch Neuland beschritten. Es war richtig, dass die Schweiz die EU-Sanktionen auch vollzogen hat. Jedoch hätten wir uns nicht diesem Zeitdruck unterwerfen sollen, und eine differenziertere Analyse sowie allenfalls im Detail gewisse Swissness Abweichungen vornehmen sollen. Verschiedenste EU-Länder brauchten viel mehr Zeit als die Schweiz, bis sie die EU-Sanktionen umgesetzt hatten. Die massiven Völkerrechtsverletzungen und der Angriffskrieg durch Russland hatte eine Dimension angenommen, dass es international nicht mehr erklärbar gewesen wäre, wenn Schweizer Firmen weiterhin business as usual betreiben könnten, und damit die Profiteure von internationalen Sanktionen wären. Bei aller emotionalen Sympathie für die Ukraine gehört zu einer faktenbezogenen und seriösen Politik jedoch auch, dass man die Wirkung und die Schäden von Sanktionen laufend immer wieder überprüft und allenfalls auch korrigiert. Unser Wohlstand hängt mehrheitlich von unseren globalen Wirtschaftsbeziehungen ab. Darum können wir uns den Erwartungen unserer Handelspartner für ein solidarisches Mittragen von Massnahmen gegen einen Aggressor nicht verschliessen. Neutralität macht nur dann einen Sinn, wenn das Handeln daraus auch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wird. Das traditionelle "beiseite stehen" wird heute weit herum in Konflikten als Profiteur-Verhalten gewertet, und nicht mehr als neutraler Status akzeptiert.   

Herausforderungen im Schweizer Finanzplatz

Sustainable Finance – Globale Finanzbranche in der Pflicht?

Die Weltbevölkerung hat sich in den letzten fünfzig Jahren mehr als verdoppelt und beträgt heute rund 7,7 Mrd. Menschen. Man geht davon aus, dass zur Jahrhundertwende über 11 Mrd. Menschen auf diesem Planeten leben werden. Es ist unbestritten, dass wenn wir unseren Lebensstil so weiterführen wollen, es zu einer starken Übernutzung der natürlichen Ressourcen kommen wird, was die Umwelt und das Klima total aus der Bahn werfen würde. Es braucht ein radikales Umdenken in unserem wirtschaftlichen Handeln. Bei dieser Transformation der Wirtschaft hin zur bedingungslosen Nachhaltigkeit nehmen Anleger und Investoren eine wichtige Rolle ein.

Weltweit beträgt das Anlage- und Investitionsvolumen rund 330 Trillionen (330'000 Mrd.) USD. Davon haben rund 31 Trillionen USD, also etwa 10 %, einen Anteil an nachhaltigen oder ökologischen Investitionen. In der Schweiz beträgt dieser Anteil sogar rund 20 %, und der Finanzplatz Zürich liegt im Global Green Finance Index auf Platz 8 (London, Luxembourg …), was die Durchmischung und die Qualität von nachhaltigen Produkten anbelangt. Bei der Zukunftsanalyse liegt Zürich mit einem Improve-Rating von über 70 % nur gerade mal hinter Frankfurt, Stockholm und sechs weiteren asiatischen Finanzplätzen. In den letzten zwei Jahren sind die nachhaltigen Investments weltweit um über 40 % angewachsen. Das jährliche Handelsvolumen von "Green" oder "ESG" - Funds liegt bei 42 Mrd. USD ("Environmental, Social and Governance" in Deutsch "Umwelt, Sozial und Unternehmensführung").

Es ist selbstredend, dass solche Wachstumszahlen auch viele Akteure und Mitbewerber auf den Plan rufen, deren Wirken und Angebote vertieft analysiert werden müssen. So gibt es heute zum Beispiel keine einheitliche Regelung, ab wann ein Investment tatsächlich als nachhaltige Anlage betitelt werden darf.  Auffällig ist, dass viele Anbieter bereits ab einer Durchmischung von 50 % des gesamten Investments, dieses bereits als Öko-Finanzprodukt verkaufen.  Dies hat jetzt auch die Politik auf den Plan gerufen. Es stellen sich Fragen wie jene einer einheitlichen Praxis, der korrekten Deklaration, der effektiv ökologischen Wirksamkeit und jene der öffentlichen Förderung von nachhaltigen Investitionen. Ein gutes Beispiel für die heute widersprüchliche Handhabung ist, dass in Deutschland Investitionen in die Nuklearenergie ausgeschlossen werden müssen, während in Frankreich gerade solche als nachhaltige Anlagen deklariert werden.

Die Finanzbranche versucht zwar schon länger, Privatanlegern die Wahl mit Indizes Siegeln und Ratings zu erleichtern, doch leider gibt es keinen Mindeststandard der definiert, was ein nachhaltiges Finanzprodukt überhaupt ist. Die global gültigen ESG-Standards bieten lediglich eine grobe Orientierung. EU-weit sind alleine fast zwei Dutzend sogenannte ESG-Label im Umlauf.  Eine mögliche Referenz für die Zukunft könnte das Siegel des Fachverbandes für nachhaltige Geldanlagen (FNG), oder jenes des Bracheninformationsdienst ECOreporter, oder die Klima-Ratings für Aktienfonds und ETF's der Non-Profit-Organisationen CDP und ISS-Ethix Climate Solutions darstellen. Diese verlangen, dass mindestens 90 % des Portfolios nachhaltige Mindeststandards erfüllen müssen. Dazu zählen Transparenzkriterien, die Berücksichtigung von Arbeits- sowie Menschenrechten, der Umweltschutz, und die Korruptionsbekämpfung, wie sie im UN Global Compact zusammengefasst sind. Die Anlagen müssen auf der Basis von Emittentenanalysen auf Nachhaltigkeitskriterien hin beurteilt werden. Investitionen in Kernkraft, Kohlebergbau, Kohleverstromung, Fracking, Ölsand sowie Waffen und Rüstung sind tabu. Wer solche Siegel erhalten möchte, muss auf Investitionen in Gentechnik, Tierversuche, Glücksspiele sowie Suchtmittel verzichten, und wird diesbezüglich auf die Produkte, die Kreditpolitik sowie die Eigenanlagen überprüft.

Ebenfalls gibt es unzählige Sustainability Indexes, welche aufgrund fehlender einheitliche Standards kaum miteinander vergleichbar sind und so auch für Referenzvergleiche noch nicht befriedigen. Hier stehen auch die regionalen Finanzplätze in der Pflicht, was gleichzeitig eine Wettbewerbschance darstellt. Eine Musterreferenz ist dazu der Global Challenges Index (GCX), welcher 50 an der Börse Hannover kotierten Unternehmen abbildet, die sich stark für die Bewältigung globaler Herausforderungen wie Armut, Klimawandel, Trinkwasser-Versorgung oder den Erhalt von Artenvielfalt einsetzen.

Dieser heute noch uneinheitliche und mit viel Eigeninteressen durchzogene Markt im Bereich "Sustainable Finance" wird oftmals mit Kosten- Nachfrage-, Risiko- oder Renditefaktoren begründet. Was zutrifft ist, dass die Entwicklungs- und Verwaltungskosten solcher Investitionen höher sind, als jene von traditionellen Anlagen. Ebenfalls trifft zu, dass aufgrund noch zu geringem Angebotsvolumen die Diversifikation in einem Portfolio geringer ist als jene von traditionellen Anlagen. Jedoch zeigen verschiedenste Umfragen bei Investoren, dass die Nachfrage stetig steigt, und bereits heute nicht mehr gedeckt werden kann. Auch falsch ist die Renditeaussage. Über 2'000 Studien belegen den überwiegenden positiven Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitskennzahlen und der finanziellen Vermögensperformance. So hat der von mir erwähnte Global Challenges Index von 2007 bis 2018 eine Performance von 166 Prozent erzielt, was währungsbereinigt mehr als 40 % über dem Globalen Aktien Index liegt.

Nachdem unbestritten ist, dass auch die globalen Finanzmärkte in die international vereinbarten Klimaziele miteinbezogen werden müssen, ist auch die Politik daran, diesen Markt zu analysieren. Dies mit Blick auf Studien welche belegen, dass ein konsequentes Wachstum in nachhaltige Investitionen das globale GDP bis 2030 um zusätzlich 15 – 20 Trillionen USD beeinflussen könnte. Die Sustainable Finance Study Group der G20 hat diesbezüglich im 2018 die aktuell grössten Mängel bei nachhaltigen Investitionen wie folgt definiert:

  • Die Risk/Return Profile solcher Anlagen führen zum nach wie vor geringen Anteil am Gesamtanlagevolumen.
  • Die langfristigen Perioden dieser Anlagen, welche einen finanziellen und nachhaltigen Benefiz gewährleisten, führen zu höheren Upfront Costs.
  • Transparenz, Definitionen, Analysen und die Kapazität in der Finanzindustrie stecken noch in den Kinderschuhen.

Aufgrund der "Sustainable Development Goals" der UNO hat die EU-Kommission im März 2018 einen Aktionsplan zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum vorgelegt und unter anderem eine Expertengruppe beauftragt, einen europäischen Standard für grüne Anleihen sowie Vorschläge für ihre Regulierung zu erarbeiten.

Auch in der Schweiz hat der Bundesrat arbeiten aufgenommen, um den Finanzplatz in unsere nationalen Klimaziele miteinzubeziehen. Im September 2019 präsentierte die Schweizerische Bankiervereinigung ihr Positionspapier zu Sustainable Finance. Mit 81 Mitunterzeichnenden aus allen Fraktionen, ausser der SP, habe ich am 17.9.2019 eine Motion mit dem Titel "Schweizer Hub für nachhaltige Vermögensanlagen" im Nationalrat eingereicht. Dabei soll unser Finanzplatz auf diesem Gebiet durch Lenkung und Anreize gestärkt werden. Die Motion verfolgt einerseits den Ansatz, dass in der Schweiz nachhaltige Investitionen durch die Befreiung von Abgaben und Steuern für Anleger attraktiver gemacht werden sollen, und andererseits den Ansatz, dass die Branche sich selbst die Regeln zur Transparenz und zur Bewertung nachhaltiger Finanzprodukte auferlegen soll.

JA, nach all diesen Ausführungen muss man zur Schlussfolgerung kommen, dass zur Erreichung von Umwelt- und Klimazielen auch die Finanzbranche in der Pflicht steht. Persönlich bin ich aus vergangenen Erfahrungen überzeugt, dass wir auf dem Finanzplatz gut daran tun, proaktiv selber Fachwissen und Vorschläge zur Selbstregulierung einbringen, als dass uns auf Druck der Öffentlichkeit der Staat Verbote und absurde Regulierungen aufzwingen muss.

Arbeitskräftemangel und Migration, eine Herausforderung für den Finanzplatz?

Wir müssen zwischen humanitärer Migration gmäss UN-Flüchtlingskonvention von 1951 und der Wirtschafts-Migration entscheiden. Als Schweiz haben wir die humanitäre Verpflichtung, schutzsuchenden Mitmenschen entsprechend unseren Möglichkeiten Hilfe zu leisten. Bei der Wirtschafts-Migration kommt für mich Qualität vor Quantität. Wer gewillt ist sich bei uns zu integrieren und einen Beitrag zur Entspannung beim Arbeitskräftemangel leisten will, der oder die sollte eine Chance für einen Aufenthalt in unserem Land erhalten.

An erster Stelle steht das Erlernen einer unserer Landessprachen. Danach sollten wir jenen Menschen mit einem vorübergehenden Bleiberecht den Eintritt in eine Berufslehre schneller und mit weniger administrativen Hindernissen ermöglichen, als das heute der Fall ist. Hier erinnere ich gerne daran, dass sich in der Schweiz rund 210‘000 Jugendliche in einer Berufslehre befinden, und davon entfallen rund 25‘000 beim Finanzplatz an.

Die Schweiz kann aber nicht alle Asylgesuche bewilligen. Sie ist aufgrund ihrer topographischen Verhältnisse, wo nur 1/3 der Landesfläche überhaupt bewohnbar ist, und aufgrund ihrer kleinen Bevölkerung, wo ein zu grosser Ausländeranteil zu sozialen Unruhen und zu einer Identitätskrise führen könnte, gar nicht in der Lage, allen ein vorläufiges Bleiberecht auszusprechen. Ich plädiere deshalb für eine harte aber faire Migrationspolitik, die sich an humanitären und integrativen Kriterien orientiert.

Arbeitsplatzsicherheit über 50 - Finanzplatz im Abseits?

Tatsächlich ist die Finanzbranche mit diesem gesellschaftspolitisch sehr wichtigen Thema in den vergangenen Jahren etwas sorglos umgegangen, und hat zu oft nur die Kostenseite im Fokus gehabt. Heute aber haben die Finanzinstitute erkannt, dass gerade der Erfahrungsfaktor und die persönliche Reife von älteren Mitarbeitenden grossen Mehrwert im Unternehmen darstellen. Aktuell werden nun verschiedenste Förderungsmodelle "50 plus" implementiert.

Bei Arbeitsplatzverlust im fortgeschrittenen Alter sind die Folgen vielfältig und teils dramatisch: Betroffene finden keinen Arbeitsplatz mehr und landen in der Altersarmut. Legitime Leistungsansprüche werden ihnen vorenthalten oder sie werden ungerecht behandelt. Durch falsche oder ineffektive Behandlungen steigen die Gesundheitskosten. Und Frühverrentungen führen dazu, dass Menschen ihre Potentiale nicht mehr einbringen können.

Ich engagiere mich im Initiativkomitee der "Allianz gegen Altersdiskriminierung". Dieses plant eine Volksinitiative «Schutz vor Altersdiskriminierung» zu lancieren, um die Lücken bei diskriminierenden Handlungen im Privatrecht, analog dem Gleichstellungs- und dem Behindertengesetz, zu schliessen.

Sicherung der Altersvorsorge – wie ist die Finanzbranche betroffen?

Eine Studie der Uni St. Gallen zeigt auf, dass im Zeitraum 2010 bis 2030 sowohl in der AHV als auch im BVG je ungefähr 55 Mrd. Fr. umverteilt werden, und zwar von Jung zu Alt. Das ist so viel wie unsere gesamte Staatsverschuldung von 110 Mrd. Franken. Alleine die AHV macht jährlich ein Defizit von über 2 Mrd. Franken. Unser Vorsorgesystem ist akutkrank und liegt bereits auf der Notfallstation.

Finanzinstitute galten bis anhin vor allem auch in der Ausgestaltung der Pensionsleistungen als attraktive Arbeitgeber. Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird dies nicht mehr möglich sein, und in verschiedensten Bereichen des Finanzsektors werden hohe Kosten bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern, wie auch Ertragsausfälle bei der Verwaltung von Vorsorgegeldern anfallen.

Wir brauchen eine strukturelle Rentenreform mittels einem flexibles Pensionierungsmodel mit Anreizsystemen und Härtefallregelungen. Dazu müssen für Frauen und Männer die Pensionierungsregelungen mit einer Anhebung des durchschnittlichen Rentenalters vereinheitlicht werden. Um diese Forderungen auch politisch mehrheitsfähig zu machen, habe ich die solidarisch denkende, generationenübergreifende Interessensgemeinschaft "IG Sichere Renten" gegründet.

"Diversity" - wo steht die Finanzbranche?

Die Förderung der Diversität im Personalbereich hat in den vergangenen Jahren bei den Finanzinstituten stark an Bedeutung gewonnen. Die meisten Arbeitgeber haben in ihren HR-Grundsätzen die Chancengleichheit unter den Mitarbeitenden, gleich welchen Geschlechtes, gleich welcher Nationalität, gleich welcher Religion, gleich welcher sexueller Orientierung und gleich welchen Alters oder welcher körperlicher Beeinträchtigungen, festgeschrieben. Gerade die Banken können eine diesbezüglich vorbildliche Umsetzung ausweisen. So haben die ZKB und die Credit Suisse im März 2019 als erste mit fünf weiteren Unternehmungen das Swiss LGBTI-Label erhalten.

Vorbildlich ist zum Beispiel ein Unternehmen, welches auf die praktische Ausübung des individuellen Glaubens Rücksicht nimmt, und etwa Arbeitspläne auf jüdische Feiertage abstimmt. Oder wenn es eine Kultur der Offenheit gegenüber allen Lebensformen, wie etwa gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, lebt und in ihre Corporate Identity integriert hat.

Internationale Studien zeigen, dass eine geförderte "Diversität" die Attraktivität eines Arbeitgebers steigert, die Mitarbeitenden längerfristig bindet, und deren Leistungen effizienter, produktiver und innovativer ausfallen.  

"Umwelt und Mensch" - wo steht Hier die Finanzplatz-Strategie?

Tatsächlich hat die Finanzbranche dieses gesellschaftspolitisch sehr wichtige Thema in den vergangenen Jahrzenten etwas vernachlässigt, hat aber vor kurzem diesbezüglich einen Strategiewechsel eingeläutet. Heute haben die Finanzinstitute erkannt, dass globale Finanzsysteme die Zukunft unseres Planeten beeinflussen. Durch die Steuerung von Finanzflüssen in nachhaltige Aktivitäten (Sustainable Finance) hat die Finanzbranche grosses Potenzial, Märkte zu verändern und Wirtschaftssysteme nachhaltig mitzugestalten.

Eine der grössten Herausforderungen für die Finanzbranche ist die Offenlegung und Taxonomie. Unser Finanzplatz unterstützt Massnahmen zur Offenlegung von Klimarisiken und setzt sich dabei für eine prinzipien- und risikobasierte sowie proportionale Umsetzung ein. Neben den Offenlegungsbestrebungen werden derzeit weltweit verschiedene Taxonomien entwickelt. Es handelt sich dabei um Klassifizierungssysteme für ökologisch nachhaltige Aktivitäten. Sobald sich international eines der verschiedensten Modelle durchsetzen kann, soll sich auch die Schweiz auf einen bestimmten Ansatz festlegen.

Ich arbeite selbst in einem Finanzinstitut, dass die Nachhaltigkeit als eines der obersten strategischen Ziele implementiert hat. Die von der Bankiervereinigung am 1. Januar 2023 erlassenen Richtlinien mit verbindlichen Vorgaben zum Nachhaltigkeitsbezug für die Anlageberatung und Vermögensverwaltung sowie Hypothekarberatung habe ich auf dem politischen Parkett mitunterstützt. Damit leistet die Finanzbranche einen konkreten und wichtigen Beitrag sowohl zur Erreichung der Pariser Klimaziele als auch zur weiteren Stärkung des Finanzplatzes Schweiz als führender - Sustainable Finance Hub -.

 
 
© Hans-Peter Portmann, 2023 (email: hp.portmann@parl.ch)
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